Und wieder zwei zusammengefasste Tage. Gestern hatte ich keine Lust, zu schreiben. Und mit jedem Tag wird unklarer, wie ich nach Hause komme. Der Flug am Samstag nach Paris sollte klappen. Vermutlich muss ich bei 33°C zwei Stunden vor verschlossenen Türen stehen, bis die Passagiere zur Temperaturmessung ins Terminal gebeten werden.
Ab Paris ist unklar. Laut Air France müsste ich mir eine Unterkunft suchen und am Montagabend fliegen. Dazu habe ich keine Lust. Alternativen: TGV nach Strasbourg (geht vermutlich keiner am Sonntag) oder Bummelzug mit zigfachen Umsteigen. Eventuell geht Eurowings via Hamburg nach Stuttgart. Mir ist es aber zu unsicher, heute schon ein Ticket zu kaufen (zumal das nicht erstattungsfähig ist). Wir werden sehen.

Gestern war ich im Musée de Rhum. Eigentlich ist das nur eine kleine Ausstellung, die eine der großen Destillerien zusammengestellt hat, um die Historie und den Ablauf der Rumherstellung auf Guadeloupe zu erläutern. Außerdem ist im Obergeschoss noch eine private Sammlung untergebracht: Modellschiffe des 17. Jahrhunderts und ein Insektarium (??). Ich lese aufmerksam die 8, in französisch gehaltenen Tafeln, die den Aufstieg des Zuckerrohranbaus, und damit verbunden, der Sklaverei auf Guadeloupe beschreiben. Und deren Niedergang, nachdem in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts die Zuckerrübe in Europa kultiviert wurde. Am Ende der Runde stelle ich dann fest, dass die Tafeln auf der Rückseite in Englisch beschriftet sind – super. Habe ich aber gar nicht gebraucht. Aus der Not heraus entwickelte sich die Rumindustrie auf Guadeloupe, weil die Zuckerpreise wegbrachen und 1848 auch in Frankreich die Sklaverei abgeschafft wurde. Im Gegensatz zum „normalen“ Rum, der im Grunde genommen ein Abfallprodukt der Zuckerindustrie ist (Grundstoff: Melasse), wird der „Rum agricole“ direkt aus dem Zuckerrohrsaft gewonnen. Praktisch so, wie man bei uns Obstler macht: Maischen, Fermentieren, Destillieren. Teuer und gut wird der Rum durch die Lagerung in Eichenfässern. Da gibt es sogar im Supermarkt Sorten, die preislich locker mit gutem Whiskey, Gin oder Cognac mithalten können. Den Infofilm habe ich mir dann auf Deutsch angesehen. Das war eine gute Entscheidung, denn inhaltlich war der Film super und hat viel erklärt. Zum Abschluss darf man sich eine Rum-Kostprobe aus vier Sorten aussuchen. Ich nehme den 4 Jahre alten dunkeln Rum. Mit Mühe kann ich der Madame erklären, dass die Portion ruhig klein ausfallen darf; auf nüchternen Magen und mit dem Auto…..

Es ist noch Zeit für einen Abstecher ins Ecomuseum. So genau habe ich nicht verstanden, was mich da erwartet. Im Grunde genommen ein ziemlich großer Garten, der so halbwegs alles beherbergt, was die Flora Südamerikas und der Antillen zu bieten hat. Erstaunlicherweise sind viele der Tafeln auch mit einem deutschen Text versehen. Zu fast jeder Pflanze gibt es natürlich Hinweise, dass sie irgendeine heilende Wirkung hat und wozu bzw. wogegen sie eingesetzt wird. Offenbar ist aber nicht alles Hokuspokus und Homöopathie, denn fast immer wird auf Inhaltsstoffe verwiesen, die eben diese Wirkung haben. Der zweite Teil der Ausstellung widmet sich dann dem Entstehen der historischen Gemeinden auf Guadeloupe und den verschiedenen Ethnien.

Heute hatte ich mit die „Plantation de Grand Café“ herausgesucht. Der Verkehr um Point-A-Pitre ist wie immer mörderisch und dazu kommt dann noch eine Baustelle auf einer der Rennbahnen nach Basse-Terre. Auf der Plantation ist das Kassenhäuschen offen, jedoch verwaist. Ich höre Stimmen und gehe um die Ecke. Dort stehen ein paar Leute in einer Halle, unterhalten sich angeregt und sind guter Stimmung. Den Herren hinter dem Tresen frage ich, ob geöffnet sei und er antwortet gerne und ausführlich. Ein großes Hallo, als ich frage, ob es etwas langsamer geht. Ich verstehe soviel, dass um 14.00h noch eine Gruppe erwartet wird, der ich mich gerne anschließen kann. Ich Glückspilz. Sonst gibt es nur eine Führung am Tag und die ist ja offensichtlich gerade vorbei. Ein Französin spricht mich auf Deutsch an und erläutert mir das noch einmal, um sicherzugehen. Als alle weg sind, bietet mir der Patron Bananensaft und Kaffee an. Und Bananen natürlich. Die werden großzügig an die Besucher zum sofortigen Verzehr verteilt. Ich muss gut 30 Minuten warten und der Patron sagt mir, dass ich ruhig sitzenbleiben und warten kann. In seiner Halle mit vollem Zugriff auf Kasse, Saft und Bananen. Ja, so sind wir hier auf Guadeloupe – im kleinen immer großzügig und vertrauensseelig. Die beiden (später drei) Hofhunde bekommen eindeutig zu wenig Streicheleinheiten. Jetzt weichen sie nicht mehr von meiner Seite. Um genau 14.00h ist es soweit. Ein siebenköpfige Mannschaft im Studentenalter kommt. Bananen für alle, Bananensaft für alle, in Alkohol eingelegte getrocknete Bananen für alle… Jetzt wird es ernst und ich werde schnell an meine Grenzen geführt. Der Vortrag ist von einem Muttersprachler für Muttersprachler und auf Minderheiten wie mich, wird keine Rücksicht genommen. So verstehe ich nur stichwortweise, von was die Rede ist. Aber das ist ja keine Geheimnis. Wer hätte das gedacht: außer gegen Pest hilft Banane so ziemlich gegen alles. Das entnehme ich zumindest den Ausführungen. Dann kratzt er mit einem Löffel die Innenseite eine Bananenschale ab. Das hilft vermutlich sogar gegen Pest. Ob gegen CoVid19 ist noch in Klärung…. Mehr als 10%-15% bekomme ich aber wohl nicht mit. Bevor es dann endlich losgeht, reibt sich der gute Mann mit der Innenseite einer Bananenschale Gesicht und Haare ein. Ich habe jetzt aber nicht verstanden, ob das gegen Mücken, Sonnenbrand oder CoVid hilft. Dann dürfen wir endlich aufsitzen, auf einem Riesenanhänger, der wohl 20 Personen Platz bietet und eine Riesentraktor zieht uns durch die Plantage. Auf einer Anhöhe mit sensationellem Ausblick auf das Anwesen mit einigen Hektar Bananenpflanzungen, sehen wir die Küste von Grand-Terre weit draußen und die beiden vorgelagerten Inseln Terre-des-Haut und Marie Galante. Die ausführlichen Erläuterungen gehen zu einem Gutteil an mir vorbei. Und die Ausführungen gehen nach der Rückkehr noch weiter, als wir durch den großzügigen Garten geführt werden, der Kaffeesträucher, Kakaobäume, Kalebassen, Bananenstauden, Vanille und noch das eine oder andere tropische Gewächs beherbergt. Als wir nach einer weiteren Bananensaftverkostung endlich entlassen werden, sind fast drei Stunden rumgegangen. Auf dem Weg zum Auto erklärt der Patron noch einmal allen (anderen) großherzig, dass ich alter Sack derjenige bin, der noch Französisch lernt. Was in der Tat allgemeine Zustimmung und Anerkenntnis findet. Damit wäre dann auch geklärt, warum der Depp nie mitlacht, wenn etwas Witziges gesprochen wird und warum er nie Fragen stellt. Am Auto werde ich von allen mit „Au revoir, Monsieur“ verabschiedet. Überall nette Leute – außer bei der Air France.
